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Online Marketing

E-Commerce² = Social Commerce

Was beeinflusst maßgeblich die Kaufentscheidung?

Unsere Erfahrung zeigt, dass Empfehlungen und Vertrauen zwei wesentliche Grundlagen bei der Kaufentscheidung sind. Bewertungsportale haben auf dieser Idee ein gesamtes Businessmodel aufgebaut. In der Praxis ist es so, dass Interessenten eher zu einem Kauf bereit sind, wenn andere Menschen mit ähnlichen Vorlieben – die sogenannte Peergroup – positiv von einem Produkt berichten. Verstärkt wird dieser Effekt, je höher meine Bindung zur empfehlenden Person ist. Auch hieraus hat sich ein äußerst lukrativer Markt etabliert: das Influencing.
Als weiteres Element ist der Gewöhnungseffekt an die Benutzerführung zu nennen. Hat ein User schon einmal über seinen bevorzugten Anbieter gekauft, ist die Chance hoch, dass er auch zukünftig auf diesen Kanal vertraut. Das ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor bei Amazon, weil sich der Bezahlprozess (Checkout) bewährt. Zwar werden auch bei Amazon Design und Prozesse jeden Tag optimiert, aber nur evolutionär, also in sehr kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten, damit das Kundenvertrauen erhalten bleibt.

Prinzip des Social Commerce

Onlinehändler verknüpfen ihre “soziale Präsenz“ sowie Kundenrezensionen und -empfehlungen mit einer unmittelbaren Kaufoption. Als eine der ersten bekannten Plattformen hat PINTEREST schon 2017 mit einem "Shop the Look"-Button die Möglichkeit geschaffen, die abgebildeten Produkte - z.B. ein Outfit oder eine Einrichtung direkt zu kaufen, ohne sie aufwändig zusammensuchen zu müssen.
Diese Bequemlichkeit für den Nutzer – die Marketingleute bezeichnen das als "Convenience" – ist entscheidend dafür, ob ein Online-Shopper kauft oder nicht.

Online-Commerce vs. Social Commerce

Ziehen wir den Vergleich zwischen dem "konventionellen" Onlineselling und den Möglichkeiten im Social-Commerce, wird deutlich, dass jeder Schritt auf dem Weg zum "Jetzt kostenpflichtig kaufen" Button dazu führt, dass Interessenten aus dem Kaufprozess aussteigen. Das kostet Umsatz:

  • Eine Google-Ads Anzeige liefert 10.000 Websitebesucher
  • 25 % (= 2.500) abonnieren den Newsletter und können auch nach ihrem Besuch gezielt über das Angebot informiert werden
  • Newsletterversand mit Öffnungsquote von 25 % (= 625)
  • 25 % (= ca. 160) klicken den Produktlink
  • Etwa 1 % von diesen 160 Interessenten kaufen = 1 - 2 Personen von 10.000

Untersuchungen im Social Commerce zeigen, dass die dortigen Kaufraten je nach Kanal um das 35-fache höher liegen.
 
Die großen Plattformen tun daher alles, um den Usern alle Funktionen direkt auf Knopfdruck anbieten zu können:

  • das Auffinden des Produktangebots im Stream - also im Informationsstrom, der durch den Plattform-Algorithmus anhand der gesammelten Userinteressen ausgespielt wird
  • das Shoppingerlebnis - also das Produkt genau unter die Lupe nehmen zu können und mit dem eigenen Bedarf / Wunsch abzugleichen
  • der Checkout - also das Produkt sofort zu bezahlen

Weltweite Plattformen für Social Commerce

Zugegeben, die Entwicklungen in China sind nicht 1:1 auf die westliche Welt adaptierbar. Dennoch, mit 1,3 Billionen US$ war der E-Commerce-Umsatz 2020 in China so hoch wie der von USA, UK, Deutschland und Japan zusammen. Mehr als 50 % der chinesischen Bevölkerung ist regelmäßig per Handy mit dem Internet verbunden. Das sind 700-800 Mio. Nutzer im Vergleich zu etwa 300 Millionen in den USA. Dazu kommt, dass das stationäre Einkaufserlebnis in China deutlich weniger attraktiv ist: 
 

  • schlechtere Angebotspräsentation
  • eine vergleichsweise geringe Angebotsbreite
  • bei einem relativ hohen Preis.

Im digitalen Bereich sind die Ecosystems von Alibaba (u.a. Taobao)  und Tencent (u.a. WeChat) führend.

WeChat (1,2 Mrd. Nutzer)

Im WeChat gibt es Infoangebote und Shops direkt innerhalb der Plattform. Jeder kleine Einzelhändler kann einen eigenen integrierten Shop haben und direkt Kontakt zu einer unglaublichen Anzahl an Käufern aufbauen. Interessenten können mit WeChat Pay direkt bezahlen.

Pinduoduo (730 Mio. Nutzer)

In dieser chinesischen Social Commerce Plattform reduziert sich der Preis in einer vom Verkäufer organisierten Community, je mehr Leute für den Kauf eines Produkts gewonnen werden können. Dieser Group Shopping Gedanke wird mit spielerischen Elementen (Gamification) erweitert und hat die Interaktion zwischen den Teilnehmern zum Ziel. Shopping soll Spaß machen und ist nicht nur Beschaffung. Die Akquisitionskosten pro User halbieren sich jeweils mit der Verdoppelung der Teilnehmer und liegen inzwischen bei unter 2 US$.

Taobao (> 500 Mio. Nutzer)

Beim Alibaba Ableger Taobao zeigt ein Influencer die Anwendung eines Produkts in einem Live-Stream und wird dadurch zum Key Opinion Consumer (KOC). Follower und Interessenten können direkt im Stream mit dem KOC kommunizieren und Fragen stellen oder eine andere Kameraperspektive anfordern. Das Produkt kann auf Knopfdruck bestellt werden. Nach eigenen Angaben sind mehr als 60 Mio. User täglich auf der Plattform aktiv. Insgesamt werden weit mehr als 1 Mrd. Produkte angeboten und über 1.000 Produkte gehen jede Sekunde über den Ladentisch.

BamBuser.com (Schweden)

Das seit 2007 aus Stockholm geführte Unternehmen versucht seit 2019, die chinesischen Entwicklungen rund um das Live-Video-Shopping auch im US-Amerikanischen und Europäischen Markt zu platzieren. Immerhin, so das Unternehmen, werden bereits jetzt mehr als 10% des Umsatzes im E-Commerce über Social-Commerce erzielt. Ähnlich wie bei Taobao können Anbieter und Kunden direkt in real time miteinander kommunizieren. Die Kauf-/Konversionsraten sind extrem hoch.

Instagram (> 1 Mrd. Nutzer)

Allen Machern und Entscheidern, die in Deutschland das Thema Social Commerce im Auge behalten oder selbst erste Erfahrungen sammeln möchten, seien die Entwicklungen beim Instagram Shopping ans Herz gelegt. Untersuchungen zeigen, dass 60 % der User auf Instagram zum ersten Mal von einem Produkt erfahren haben. Darüber hinaus hat Instagram mehr als 1 Mrd. User weltweit und rund 20 Mio. davon in Deutschland.
Bisher musstw man Links zu Produkten bei Instagram in der Beschreibung, der sogenannten "Bio", aufführen, was eher umständlich ist. Die attraktivere "Swipe Up Funktion" wird in aller Regel erst ab 10.000 Followern freigeschaltet, sie verlinkt auf eine Produktseite, die im Instagram Browser ausgespielt wird.
Inzwischen findet sich bei Instagram im Menü eine kleine Einkaufstasche, die auf Shopanbieter verlinkt. Die Social Commerce Funktionen werden aber aktuell massiv ausgebaut. Daher kann je nach Produktangebot, ein frühes Engagement ein lohnenswertes Unterfangen sein. Die technische Einrichtung erfolgt über den Business Account bei Facebook. Hier muss lediglich ein Produktkatalog angelegt, gefüllt und anschließend mit Instagram verbunden werden.

TikTok (> 800 Mio. Nutzer)

Wer eine jüngere Zielgruppe in Zukunft mit einem Social Commerce Angebot ansprechen möchte, sollte TikTok im Auge behalten. Die Plattform forciert aktuell seine Social-Commerce Bemühungen durch eine Kooperation mit Shopify.

Welche Produkte eignen sich für Social Commerce?

Ob in China oder bei uns - es sind in erster Linie Produkte, zu denen ein Kaufbedürfnis über einen Kaufimpuls ausgelöst werden kann, die sich hervorragend über Social Commerce vermarkten lassen, u.a.:

  • Kleidung und Taschen
  • Heimprodukte
  • Kosmetik
  • Digitale Produkte
  • Sport- und Outdoor-Produkte
  • Produkte für Mutter & Kind

Fazit: Ist Social Commerce ein Thema für mein Marketing?

Wer als Unternehmen die zeitlichen und finanziellen Ressourcen hat, profitiert in aller Regel überdurchschnittlich davon, zu den Early Adoptern zu gehören und neue Entwicklungen zu testen, wenn sie auf dem Weg sind, trendy zu werden. In frühen Phasen gibt es meist weniger Wettbewerb - aber auch eine geringere Reichweite, was die Werbeausgaben meist in Grenzen hält. Die Investition in einen markanten Erfahrungsvorsprungs gegenüber dem eigenen Wettbewerb zahlt sich jedoch aus.

Es ist Februar 2021. Die C19 Pandemie hält die Welt noch in Atem. Der stationäre Handel weint bittere Tränen, zumindest all diejenigen, die sich der digitalen Welt bis heute verschlossen haben.
Ja, es ist eine völlig neue Welt und aller Anfang ist schwer. Aber auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.
 
E-Commerce ist ein wesentlicher Bestandteil des zukünftigen Handels. Der E-Shop ist aber zunächst nicht viel mehr als das Ladenlokal, nur eben elektronisch. Entscheidend wird es in der digital geprägten Zukunft sein, wie sich Interessenten für ein Angebot gewinnen lassen – wie sich auch kleine Anbieter gegen die Big Player im Markt durchsetzen können.
 
Schauen wir einmal über den Tellerrand, hin zu den Staaten, die uns in diesen Disziplinen noch einen großen Schritt voraus sind: Das sind sicher die USA, aber in aller erster Linie ist das auch China. Hier zeichnet sich ein Trend ab, soziale Interaktionen mit der Möglichkeit des Einkaufens zu verbinden: Social Commerce.